Weizen
„ ICH WAR EIN KIND!
Lassen Sie uns an dieser Stelle weitermachen, wählen Sie ein anderes Fenster desselben Hauses, in dem sich eine andere Szene abspielt:
Aber nicht alle dachten so wie Paul. Der jüngste Bruder Luises war fast nie bei den Festen dabei. Er war irgendwie anders. In sich gekehrt, wortkarg. Doch eines Abends, bei einem Dorffest, erlebte ich ihn anders. Im Sport-Vereinsheim saß er am Tresen. Er hatte zu viel getrunken. Und beschimpfte aus tiefstem Herzen einen alten Mann. „Ich war ein Kind!“ „Du hast mich in den Krieg geschickt! Ein Kind!“ Mit 17 Jahren musste er zum „Volkssturm“ – alle sehr jungen und sehr alten Männer wurden gegen Kriegsende eingezogen und mussten an die Front. So sah mein Onkel als Jugendlicher das Elend des Krieges und verbrachte danach sein ganzes Leben im selben Dorf, wie der Mann, der ihn in den Krieg geschickt hatte, nur wenige Straßen entfernt. Es wurde vorher nie darüber gesprochen – ich höre nur, wie er verbittert diese Sätze in den Raum wirft, 30 Jahre nach dem Krieg. Kein Echo. Er war damit alleine.