Rose
MIT ROSEN
Is Als der Krieg ausbrach, war Luise eine junge Frau. Hineingeboren in ein 400-Seelen-Dorf in der Hinterpfalz, nahe der französischen Grenze, wuchs sie in schlichten Verhältnissen auf. Ihr Vater war Zimmermann und die sechsköpfige Familie lebte z.T. ein bäuerliches Leben mit selbst angebautem Gemüse und Obst. Landarbeit gehörte zu den täglichen Aufgaben. Luise hatte noch drei Geschwister, eine Schwester und zwei Brüder. Der Zweite Weltkrieg sollte ihr weiteres Leben bestimmen.
Da mussten höchstens die Hasen gefüttert werden. Oder das eingemachte Obst aus dem Bunker hinter dem Haus geholt werden. Und dann kroch die Kälte durch die Kleider und im Bunker auch ein bisschen die Angst.
Der Bunker stammte aus dem zweiten Weltkrieg und diente meinen Großeltern als Keller.
Ich gehe den Pfad hinter dem Haus entlang, versuche den Ästen der tropfenden Büsche auszuweichen, die den schlammigen Weg säumen. Eine Treppe führt auf einen kleinen Hügel, unter dem der Bunker eingegraben ist. Der Eingang zum Bunker ist auf der Hälfte des Hügels und umrahmt mit Büschen, die ihre Zweige in den Weg strecken, als ob sie den Bunker ganz verstecken wollten. Ich öffne die schwere Holztür und der kalte modrige Geruch von feuchtem Beton schlägt mir entgegen. Möglichst ohne nach rechts zu schauen, wo eine steile Treppe von dem winzigen Vorraum in ein schwarzes Loch nach unten führt, konzentriere ich meine Aufmerksamkeit auf den alten Küchenschrank. Er füllt den Vorraum des Bunkers zu Hälfte aus und ist gefüllt mit den Schätzen des Sommers. Eingelegte Mirabellen, Kirschen und Zwetschgen, Marmeladen und eingelegte Gemüse. Glas an Glas, die Beute der Gartenarbeit.
Nach dem Mittagessen gibt es eingelegtes Obst. Ich mag es nicht. Die süßen knackigen Früchte haben sich zu einem matschigen unansehnlichen Etwas verwandelt, das leuchtende Gelb der Mirabellen zu einem Braungelb, das tiefe glänzende Violett der Zwetschgen zu einem Braunviolett.
Das Obst aus dem Keller zu holen ist Kindersache – die Kinder gruselt es.
Der Bunker ist normal – erst viel später habe ich verstanden, dass er als Zeichen des Krieges dort stand. Der Krieg, in dem meine Großmutter zwei ihrer vier Kinder zur Welt brachte. Unverwüstlich steht der Bunker da– aber mit neuen Aufgaben.